„Stets bemüht“: So lesen Sie ein Arbeitszeugnis

Bei der beruflichen Entwicklung spielen Arbeitszeugnisse eine große Rolle. Entsprechend wichtig ist es, dieses Dokument richtig zu lesen. Erfahren Sie hier, was beim Arbeitszeugnis wichtig ist und wie Sie sich gegen eine negative Formulierung wehren.

Eigentlich lesen sich Arbeitszeugnisse immer gut: Da ist die Rede von „Er arbeitete zu unserer Zufriedenheit“ oder „Sie war eine sehr geschätzte Gesprächspartnerin“. Doch hinter solchen wohlklingenden Formulierungen können sich vernichtende Urteile verstecken – in diesen Fällen: „Er war erfolglos“ und „Sie war geschwätzig“. Warum Kritik so verpackt wird, hat einen gesetzlichen Grund: Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten im beruflichen Fortkommen nicht durch ein offensichtlich schlechtes Arbeitszeugnis behindern. Gleichzeitig sind sie jedoch verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. In der Folge haben sich Sprachcodes entwickelt. Wer sie erkennt, kann sich gegen ungerechtfertigt schlechte Bewertungen zur Wehr setzen.

Ein Beispiel: Die Zufriedenheitsformel und ihre Übersetzung in Schulnoten:

  • „Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = „sehr gut“
  • „Stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = „gut“
  • „Stets zu unserer Zufriedenheit“ oder „Zu unserer vollen Zufriedenheit“ = „befriedigend“
  • „Zu unserer Zufriedenheit“ = „ausreichend“
  • „Im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ = „mangelhaft“
  • „Bemühte sich stets, die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen“ = „ungenügend“

Wann Sie Anspruch auf ein Zeugnis haben

Bei einem kurzfristigen Arbeitsverhältnis oder einem Praktikum beschränkt sich der Arbeitgeber häufig auf ein einfaches Zeugnis. Sind Sie schon länger im Unternehmen, bestehen Sie auf ein qualifiziertes Zeugnis. Es muss das Folgende enthalten:

  • Überschrift, Name und Anschrift des Arbeitgebers, Ausstellungsort und -datum sowie Unterschrift des Arbeitgebers oder eines weisungsbefugten Vorgesetzten
  • Ihre korrekten Personalien, eine vollständige Liste Ihrer Aufgaben und die Beschäftigungsdauer
  • Korrekte Rechtschreibung, Briefpapier des Arbeitgebers, soweit vorhanden
  • Aussagen zu Ihrer Leistung und Ihrem Verhalten

Abmahnungen, Angaben zu Gewerkschaftszugehörigkeit, Urlaub oder Krankheiten haben im Arbeitszeugnis nichts zu suchen. Hervorhebungen von Textteilen durch Unterstreichung und Fettschreibung sind ebenfalls nicht zulässig. Häufig endet ein Arbeitszeugnis mit einem Satz wie diesem: „Wir bedauern, dass Herr XY unser Haus verlässt. Wir danken ihm für seine geleistete Arbeit und wünschen ihm für die berufliche Zukunft alles Gute.“ Einen Anspruch auf eine solche Schlussformel haben Sie nicht.

Das können Sie im Streitfall tun

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie zu Unrecht schlecht wegkommen, lassen Sie Ihr Arbeitszeugnis prüfen. Ansprechpartner ist, falls vorhanden, der Betriebsrat in Ihrem Unternehmen. Gewerkschaften übernehmen den Check kostenlos für ihre Mitglieder. Fachanwälte für Arbeitsrecht tun dies gegen Honorar. Möchten Sie eine Formulierung ändern lassen, suchen Sie zügig das Gespräch mit dem ausstellenden Arbeitgeber. Lässt sich dieser auf Änderungswünsche nicht ein, bleibt Ihnen nur der Weg zum Arbeitsgericht. Dann ist es gut, wenn Sie bessere Leistungen belegen können, zum Beispiel durch positive Zwischenzeugnisse oder Protokolle der jährlichen Mitarbeitergespräche.