„Er war stets bemüht …“: So liest du ein Arbeitszeugnis

Bei der beruflichen Entwicklung spielen Arbeitszeugnisse eine große Rolle. Deshalb sollte man dieses Dokument richtig verstehen. Was beim Arbeitszeugnis wichtig ist, und wie du dich gegen negative Formulierungen wehren kannst.

Eigentlich lesen sich Arbeitszeugnisse immer gut: Da ist die Rede von „Er arbeitete zu unserer Zufriedenheit“ oder „Sie war eine sehr geschätzte Gesprächspartnerin“. Doch hinter solchen wohlklingenden Formulierungen können sich vernichtende Urteile verstecken („Er war erfolglos“ oder „Sie war geschwätzig“). Warum Kritik so verpackt wird, hat einen gesetzlichen Grund: Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten im beruflichen Fortkommen nicht durch ein offensichtlich schlechtes Arbeitszeugnis behindern. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. In der Folge haben sich Sprachcodes entwickelt. Wer sie erkennt, kann sich gegen ungerechtfertigt schlechte „Noten“ zur Wehr setzen.

Die Beurteilung

Ein Zeugnis sollte individuell sein und nicht nur allgemeine Phrasen enthalten. Doppelte Verneinungen, einschränkende Aussagen und zweideutige Sätze können abwertend sein. Negativ ist auch, wenn wichtige Aufgaben vor weniger wichtigen Aufgaben stehen, die Reihenfolge der sonst üblichen Gewichtung also nicht eingehalten wird. Werden viele eher irrelevante Details erwähnt, ist das Zeugnis schlecht. „Stets“, „immer“ und „äußerst“ dagegen wirken in der Regel positiv. Bei „bemüht“ sollten die Alarmglocken schrillen. Das bedeutet nie Gutes.

Die „Zufriedenheitsformel“ und ihre Übersetzung in Schulnoten – ein Beispiel:

  • „Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = „Sehr gut“
  • „Stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = „Gut“
  • „Stets zu unserer Zufriedenheit“ oder „Zu unserer vollen Zufriedenheit“ = „Befriedigend“
  • „Zu unserer Zufriedenheit“ = „Ausreichend“
  • „Im Großen und Ganzen/insgesamt zu unserer Zufriedenheit“ = „Mangelhaft“
  • „… bemühte sich stets, die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen/führte die übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durch“ = „Ungenügend“

Wann du Anspruch auf ein Zeugnis hast

Bei einem kurzfristigen Arbeitsverhältnis oder einem Praktikum beschränkt sich der Arbeitgeber häufig auf ein einfaches Zeugnis. Es enthält Personalien, eine Tätigkeitsbeschreibung und eine Schlussformel. Bist du schon länger im Unternehmen, solltest du auf ein qualifiziertes Zeugnis bestehen. Es muss folgende Punkte enthalten:

  • Überschrift, Name und Anschrift des Arbeitgebers, Ausstellungsort und -datum sowie Unterschrift des Arbeitgebers oder eines weisungsbefugten Vorgesetzten
  • Deine korrekten Personalien, eine vollständige Liste deiner Aufgaben und die Beschäftigungsdauer
  • Korrekte Rechtschreibung, Briefpapier des Arbeitgebers (soweit vorhanden)
  • Aussagen zu deiner Leistung und deinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden

Abmahnungen, Angaben zu Gewerkschaftszugehörigkeit, Urlaub, Krankheiten etwa haben im Arbeitszeugnis nichts zu suchen. Hervorhebungen von Textteilen durch Unterstreichung, Fettschreibung sind ebenfalls nicht zulässig. Häufig endet ein Arbeitszeugnis mit einem Satz wie diesem: „Wir bedauern, dass Herr XY unser Haus verlässt. Wir danken ihm für seine geleistete Arbeit und wünschen ihm für die berufliche Zukunft alles Gute“. Eine solche Schlussformel sollte den Grund für die Trennung, einen Dank für die Zusammenarbeit, das Bedauern über die Trennung und Wünsche für die Zukunft beinhalten. Einen Anspruch darauf hast du nicht. Fehlt dieser abschließende Satz jedoch, wird das als negatives Zeichen bewertet.

Das kannst du im Streitfall tun

Wenn du den Eindruck hast, dass du zu Unrecht schlecht wegkommst, lasse das Arbeitszeugnis prüfen. Ein Ansprechpartner ist, falls vorhanden, der Betriebsrat. Gewerkschaften übernehmen den Check kostenlos für ihre Mitglieder. Fachanwälte für Arbeitsrecht tun dies gegen Honorar. Einen solchen findest du zum Beispiel über Anwaltauskunft.de. Möchtest du eine Formulierung ändern lassen, suche zügig das Gespräch mit deinem Chef. Lässt sich dieser auf Änderungswünsche nicht ein, bleibt nur der Weg zum Arbeitsgericht. Dann ist es gut, wenn du bessere Leistungen belegen kannst, zum Beispiel durch positive Zwischenzeugnisse oder Protokolle der jährlichen Mitarbeitergespräche.